Ich muss, ich soll, wir müssen, wir sollen; Doch wofür? Für's Leben?
Experten, Fachbegriffe, Integral, Essays über Träume (präzise und analytisch), Neurobiologie, Analysis, Druck, Druck, Druck.
Nervenzusammenbrüche, Schulsozialarbeiter, Verzweiflung.
Mit diesen und vielen anderen bedauerlicherweise höchst alltäglichen Begriffen werden wir uns im Folgenden beschäftigen, sowie auch mit den fundamentalen Strukturfehlern des heutigen Schulwesens und ihren Auswirkungen.
Die Schule sei ein Ort der Bildung, sagt man. Du lernst für's Leben, sagt man. Doch was steckt dahinter? Könnte es ein Fünkchen Wahrheit sein?
Als Schüler stehen wir vor einem gewaltigen Berg an Informationen und Aufgaben, ob es nun Klausuren, Hausarbeiten, Präsentationen, mündliche Leistungsnachweise, Coopertests oder frei zu gestaltende Unterrichtsstunden sind. Alles hat, so sagt man, seinen Zweck. Einzeln und isoliert betrachtet. Doch der Aufsatz, der uns bei der Selbstfindung unterstützen und unsere Kreativität fördern soll, geht leider unter in der trüben Masse an zu bewältigenden Hürden.
Ich bin demotivierter, depressiver und kritischer Abiturient, der nicht gendern möchte, und kann nur aus eigenen oder Second Hand Erfahrungen sprechen, doch würden mir wahrscheinlich zahlreiche Mitleidenden zustimmen: Schule, so wie wir sie seit der Sekundarstufe kennen, ist Stress, Druck, Leistung und nicht die Spitze der Bedürfnispyramide.
Doch warum stehen wir unter Druck, der aus Kohle Diamanten formen könnte?
Richtig. Diamant ist kostbar, teuer, der Handel mit ihm höchst lukrativ. Doch dazu später mehr.
Das, was wir machen, ist keineswegs schlecht (manchmal vielleicht etwas überflüssig), aber schlichtweg zu viel und verliert durch Quantität an Qualität.
Wir vergessen viel zu viel und selbst das Wissen, das wir behalten, ist meist außerhalb der akademischen Ausbildung nur selten hilfreich. Eine Gedichtinterpretation schreiben und somit die Kernaussage komplizierter Texte erfassen zu können, ist zwar durchaus geistig erfüllend, hilft jedoch auf keiner Sprache bei der Wohnungs- oder Arbeitsplatzfindung.
Genauso sind auch unsere Lernzeiten; Unterrichtsstunden sind 45 bzw. 90 Minuten lang, welche sehr anstrengend, jedoch nur zur Hälfte wirklich ausgenutzt sind.
Dadurch, dass wir aus der zu bewältigenden Flut aussortieren müssen, jedoch trotzdem “Müll” sinnvolles gleicherweise angestrengt bearbeiten müssen, entsteht eine Verwirrung, durch die wir nicht mehr selektieren, sondern nur noch leisten und zwar das, was man uns sagt.
Durch diese Aufgaben sind wir belastet, überlastet sogar, sodass wir das wesentliche, und zwar unsere Zukunft nicht mehr sehen, sondern auf unsere Noten, die uns angeblich weiterbringen werden, konzentrieren.
Doch diese Noten sagen nichts über unseren menschlichen Wert aus. Sie bezeichnen unsere Vermarktbarkeit.
Ja, die Diamanten kommen wieder ins Spiel. Denn wir sind die Diamant equalidierenden höchst strapazierbaren, innerlich ausgezehrten Leistungswesen, die den Druck durchleben mussten, um so brauchbar zu werden.
Schule ist keine Bildung mehr, sondern Ausbildung. Ausbildung, jeglichem Druck standzuhalten, das Unmögliche zu tun und zwischenmenschliche Respektlosigkeit gekonnt zu ertragen.
Das aktuelle Schulsystem erwirtschaftet gezielt akademische Fließbandarbeiter, die Selbsterfüllung in Leistung und Profitmaximierung anstatt menschlichen und emotionalen Bindungen sehen.
Die ist keine bloße Theorie, sondern in fortgeschrittener Form bei der jetzt etwa 40-50 jährigen Akademikergeneration beobachtbar. Kein soziales Leben in Teenagerjahren, sehr gutes Abitur, anschließendes Studium und Karriere, bevor an Familie und Kinder zu denken ist. Fragt man nach den Gründen, begegnet einem so oft die Angst um die eigene finanziell zufriedenstellende Karriere. Eine Karriere, die zur Sucht wird und Eltern selbst nach einer Familiengründung von ihren Kindern fernhält, welche wiederum oft das Beispiel sehen und den Regeln folgen, ihr Abitur machen und Geld als das höchste Gut des Menschen, als heimischen Wert mit sich tragen.
Zu sehen ist die entmenschlichte Spirale der leistungsorientierten Schule, welche durch ihre psychischen Auswirkungen geprägt ist. Denn Druck und Emotionen vertragen sich nicht.
Psychologische Unterstützung bei der Zerrissenheit durch praxisfremdes Lernen in der Schule und lebensnahem Aufwachsen oder anderen Problemen wird Schülern nur geboten, wenn sie bereits auffallen, das Lernumfeld stören. Doch dann meist auch nicht um das Innenleben des einzelnen, sondern um die Harmonie der Gruppe zu verbessern.
Doch dies ist eine meiner Meinung nach ineffektiver Art der Symptombehandlung, denn Antiaggressionstraining, Sprechstunden bei Sozialarbeitern und Verhaltenstraining beheben nicht die Ursache einer Verzweiflung oder Depression, die institutionell erschaffen wurde.
An dieser institutionellen Fabrikdepression ist der Knackpunkt, der Ansatzpunkt einer längst überflüssigen Systemänderung.
Zwischenmenschliches Verhalten, Moral und Menschlichkeit, Nächstenliebe, die Fähigkeit genug zu haben statt dem Streben nach Kapital, Ruhm und Egozentrismus wären der Vermittlung nicht nur bedürftig, sondern schon längst überfällig..
Bildung als solche ist nicht das Problem, jedoch sollte sie aus der missbräuchlichen Ausbildung wieder zurück funktioniert werden in die Bildung, die auch schon Sokrates verbreitete; die Benutzung des Verstandes.
Die Inhalte können und sollten auch zugänglicher und individueller vermittelt werden, sodass sie verständlich und brauchbar sind, anstatt als höhere Instanz über unseren Köpfen zu schweben, die uns jederzeit erschlagen kann. Die Kompetenz einer solchen Vermittlung ist jedoch bei den Lehrkräften und Bildungsplanern keineswegs vorhanden, da sie in unserem jetzigen System auch nicht erfordert wird.
Um besagte Fähigkeiten zu erwerben und sich ihrer Wichtigkeit bewusst zu werden, müssen jedoch auch die Ausbildungsstellen für Lehrer in eine strukturelle Umstülpung miteinbezogen werden, denn sie spielen eine essentielle Rolle beim Werdegang ihrer Schüler.
Doch die Lehrer, die in das aktuelle System hinein ausgebildet wurden, weigern sich zu lernen, was ein weiteres Problem unseres ach so schönen Schulsystems bildet. Warum lernen, wie ein Computer funktioniert, wenn man in ein paar Jahren in Rente geht? Warum sollte man sich mit psychischen Krankheiten und Inklusion beschäftigen, wenn man selbst nie damit zu tun hatte und sich nicht dafür interessiert? Inwiefern sollte man als Lehrer lernen, mit schwierigen Schülern umzugehen, wenn man ihr auffälliges Verhalten auch einfach auf schlechte Erziehung und Dummheit zurückführen kann? Warum sollte man lernen mit behinderten Kindern umzugehen, wenn man sie auch auf die Sonderschule schicken kann?
All dies sind Situationen, in denen Schülern Zeit und Nerven verloren gehen.
Der Lehrer weiß nicht, wie man den Computer zum Laufen bringt? Tja, dann eben schnödes aus dem Buch abschreiben. Der Schüler verhält sich auffällig? Keine Ahnung, was das Problem ist, aber will vermutlich nur Aufmerksamkeit. Integrieren durch Ignorieren, oder so was wird schon klappen. Inklusion wird mehr und mehr zum Thema und Lehrer werden zwangsweise (auch auf dem Gymnasium) damit umgehen müssen. Und nur, weil ihre Laufbahn als Lehrer in ein paar Jahren vorbei ist, heißt das noch lange nicht, dass sie nichts Neues mehr lernen können und sollen. Fortbildungen existieren genau zu diesem Zweck, also warum sollte man sie nicht auch nutzen, um mit den Problemen der eigenen Schüler besser umgehen zu können?
Digitalisierung der Schulen bedeutet auch gleichermaßen eine Digitalisierung der Lehrer. Im momentanen Studium bildet dies keinerlei Problem, den Lehrern wird hier der Umgang mit modernen Medien beigebracht, allerdings laufen noch genügend Lehrer in den Schulen herum, die nicht einmal wissen, was ein HDMI- Anschluss macht, geschweige denn, wie man die Fenster am PC schließt.
Aber was geschieht mit diesen Lehrern, wenn Schulen weiterhin digitalisiert werden? Weigern sie sich für die letzten paar Jahre ihrer Karriere, auf diesen Zug der Modernisierung auf zu springen und verlassen sich weiterhin darauf, dass die Kollegen schon wissen was sie da tun, oder lernen sie mit neuen Medien um zu gehen und sich an den Schulalltag anzupassen? Wenn diese Lehrer nicht lernen, mit einem Computer um zu gehen, wie wollen sie den Schülern die Option geben, einen Vortrag mit PowerPoint vorzutragen? Man kann sich nicht immer einzig und allein auf das Wissen der Schüler verlassen. Auch wenn sie in den meisten Fällen herausfinden können, was das Problem ist, muss man sich dann nicht fragen, ob das Problem hätte entstehen können, wenn der Lehrer gewusst hätte, welches Kabel er mitnehmen muss und welcher Anschluss zu welchem gehört?
Dieses Problem wird sich nicht nur durch Fortbildungen lösen lassen, sondern nur durch eine fundamentale Änderung der Lehrerausbildung.
Doch da wäre noch ein anderes klitzekleines Problemchen, dass sich in den Weg stellt
SCHULTECHNIK!
Scheinbar kein Budget für veraltete, nicht funktionsfähige Technik. Es ist immer schön zu hören, dass in manchen Schulen in Baden-Württemberg die Digitalisierung ganz wunderbar vorangeht und alles tipp topp läuft, aber dann, wenn man einen Blick auf die eigene Schule wirft, merkt man, dass die Digitalisierung nicht weiter entfernt sein könnte.
Nicht in jedem Raum steht ein funktionsfähiger OHP, die Beamer laufen, wenn sie Laune dazu haben und die Kabel funktionieren in jedem Raum anders, wenn sie denn überhaupt funktionieren. Wenn die Technik im eigenen Raum nicht geht, klaut man sie eben aus einem anderen. Dann fehlt sie in diesem Raum und das Spiel geht gerade so weiter. Es gab eine Zeit an unserer Schule, da war das modernste im Gebäude eine automatische Tür. Warum die angeschafft wurde, darüber ist man sich nicht sicher. Anscheinend war da wohl ein bisschen Geld für Extras und da dachte man sich "Also eine Schiebetür wäre schon ziemlich nett!"
Jetzt fällt langsam auf, was das Problem sein könnte. Geld. Erstaunlich, wer hätte das gedacht? Dass das Problem beim niedrigen Budget von Schulen liegen könnte, klingt ja schon fast plausibel. Aber was weiß ich als Schüler schon vom Geld? Der Staat investiert ja Milliarden in die Bildung seiner Zukunft! Da sollte man dankbar sein! Wir müssen unsere Schulbücher nicht bezahlen und Bildung ist ja kostenlos. Das ist auch alles wunderbar, aber wie soll die Digitalisierung mit dem momentanen Geld funktionieren? Wie sollen Lehrkörper anständig ausgebildet werden, wenn das Geld gerade einmal für eine neue Tür reicht?
Wir haben drei Jahre lang gewartet, bis die eingeschlagene Eingangstür ersetzt wurde. Wo war da das Geld? Wir sehen Tag für Tag, dass die Technik in der Schule nicht funktioniert. Warum kann man sie nicht reparieren lassen? Oder ersetzten? Wer weiß. In der Schule einer Freundin meinerseits leckt es durch die Decke, aber die Schule hatte Budget für einen Teich, den inzwischen kaum jemand mehr benutzt. Wo war da das Geld? Und ein einziger Schulpsychologe oder Sozialarbeiter, der in Teilzeit arbeitet reicht natürlich für 800 bis 1000 Schüler und ihre Probleme.
Dem Staat scheint die Bildung der Jugend ja so wichtig zu sein, aber fragen wir uns mal ganz im Ernst: Ist dem wirklich so?
Ist unsere Bildung und Entwicklung tatsächlich im Interesse des Staates oder wie bereits beschrieben ein Instrument der Wirtschaft? Es scheint, als könnte letzteres schmerzhaft aber zutreffend.
Ja, wieder kehren wir zurück zu den Diamanten, die durch G8 gepresst und beliebig geformt werden. Fehlformungen werden gediegen aussortiert und entsorgt.
All dies betrifft uns akut, im hier und jetzt, und hat sichtbare, gravierende Auswirkungen auf die Zukunft, sowohl auf unsere als auch auf die der vorigen und nächsten Generationen. All die negativen Aspekte schweben uns klar ersichtlich vor Augen, doch wie könnten wir eine halbwegs utopische Zukunftsvision umsetzten? Einfach wird es nicht, allerdings würde sie die institutionellen und großflächigen Probleme weitestgehend langfristig beseitigen. Erziehung statt Ausbildung. Bildung statt Druck. Ein System aus dem kompetente Menschen und keine emotionalen Maschinen resultieren, Weg von Profit, Kapitalismus, Wirtschaft.
Dankeschön, meine Damen und Herren.
Kathi, Bori
Deeper Learning-Projekt: Essay
Schülerinnern und Schüler der J1 des Kursfürst Friedrich Gymnasium Heidelberg
Studierende der Universität Heidelberg, IBW
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