Politische Bildung in Deutschland: Viel Bedeutung, doch viele Mängel

Selbstbestimmt denken und handeln, Verantwortung übernehmen, politische Probleme beurteilen können, all diese Fähigkeiten machen Demokratinnen und Demokraten aus und bilden den Grundstein ihrer Partizipation an politischen Geschehnissen. Daher sollte Politik bereits in der schulischen Laufbahn der Schülerinnen und Schüler eine Rolle spielen. Doch wie sieht dieser Gemeinschaftskunde-, Sozialkunde- oder Politikunterricht in Deutschland aus?

Wie viel politische Bildung Schülerinnen und Schüler erhalten, hängt in Deutschland vom Standort der Schule ab, denn jedes der 16 Bundesländer entscheidet selbst, wie viel Politik an den Schulen unterrichtet werden sollte. Laut einer Studie der Universität Bielefeld hat Bayern mit 0,52 % des Lehrplans die geringste politische Bildung in Schulen. In Hessen dagegen füllt Politik 4,38 % des Lehrplans.

Oftmals wird in den Bundesländern auch klassenabhängig Politik unterrichtet. Vielerorts ist politische Bildung auch ein Teil des Geschichtsunterrichts oder zumindest weitestgehend mit diesem verknüpft. Wird die Antike behandelt, lernt man auch etwas über den Beginn der Demokratie.

Zwar garantiert die Schulpflicht, dass alle Schulen politische Bildung vermitteln können, doch im Vergleich zu naturwissenschaftlichen Fächern, Sprachen, Mathematik und Geschichte, steht der Politikunterricht an zweiter Stelle. Eigentlich sollte man in der Oberstufe besonders großen Wert auf politische Bildung legen, denn die 16-18 Jährigen bilden die nächste Generation der Demokratie. Trotzdem erhalten Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg lediglich eine halbe Stunde Gemeinschaftskundeunterricht pro Schuljahr, somit macht dieser den kleinsten Teil ihres Stundenplans und auch Lehrplans aus. Man muss sich also nicht darüber wundern, dass einige Jugendliche bereits beim Aufzählen der Parteien oder Nennen der Koalition keine Antwort parat haben.

Funktionen politischer Bildung

Eine funktionierende Demokratie, getragen durch partizipierende Bürgerinnen und Bürger, ist ohne eine gute politische Bildung nicht vorstellbar. Sie ist sogar unmöglich, da politische Bildung einer ihrer Grundpfeiler ist. Besonders deutlich wird dies an den Funktionen politischer Bildung:

Zunächst dient sie dazu, Jugendliche mit Politik in Kontakt zu bringen und dabei deren Interesse für Rechtsstaat, demokratische Institutionen und politisches Engagement zu wecken, da eine Demokratie nur funktionieren kann, wenn die Bürger Interesse an Politik zeigen und sich beteiligen. Ein hohes Interesse führt zu einer hohen Wahlbeteiligung und ausgeprägtem Engagement, was Entscheidungen insgesamt eine hohe Legitimation durch das Volk gibt und damit beispielsweise die Qualität von Gesetzen massiv erhöht.

Dabei ist es jedoch auch grundlegend das nötige Fachwissen und die politischen Grundlagen zu vermitteln, auf Basis welcher man sich ein vernünftiges Urteil durch reflektiertes Abwägen bilden kann. Hierbei entstehen natürlich unterschiedliche Meinungen zu politischen Fragen.

Unterschiedliche oder gar konträre Ansichten sind in einer Demokratie sehr wichtig, da sie Zeichen eines gesunden Pluralismus in der Gesellschaft sind. Trotzdem sollte es gleichzeitig einen gewissen Konsens über Demokratie in der Gesellschaft geben, der sich besonders in den gemeinsamen Werten spiegelt. Werte sind in ihrer Auslegung diskutabel, jedoch sollten sie niemals gänzlich wegfallen. Sicherlich haben Politikerinnen und Politiker abweichende Vorstellungen von der Gestaltung demokratischer Werte wie Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheit. Am Ende werden sie aber alle diese Werte als wichtigsten Teil der Demokratie sehen.

Folgerichtig ist auch die Vermittlung solcher Werte eine wichtige Funktion der politischen Bildung. Jeder Bürger sollte sich bewusst sein, dass diese Werte aktiv gepflegt und geschützt werden müssen denn ohne Freiheit werden Bürger in ihrer Lebensführung eingeschränkt.

Ohne Gerechtigkeit erhalten Bürger nicht das was ihnen zusteht. Dies kann Misstrauen unter Bürgern und schlimmsten Falls auch gegenüber Politikern weckt. Ohne Solidarität werden schwächere Mitglieder der Gesellschaft zurückgelassen.

Ohne den Erhalt der Werte ist also der Zusammenhalt der Gesellschaft und damit die Demokratie selbst gefährdet. Die Bedeutung politischer Bildung als Beschützer unserer Werte ist in diesem Fall also besonders signifikant.

Darüber hinaus soll politische Bildung die Neigung zum Extremismus, ob links, rechts oder religiös vorbeugen, was erneut ein wichtigen Beitrag zum Schutz von Demokratie und Rechtsstaat leistet. Hierfür sollte ein Gespür für Propaganda und Populismus entwickelt werden, wodurch solche negativen Einflüsse schneller und häufiger entlarvt werden und sich möglichst wenige Bürger von diesen beeinflussen lassen.

Aber auch die Werte spielen hierbei eine wichtige Rolle, da sie mit besagtem Extremismus nicht vereinbar sind und Extremismus somit keine Option mehr für den politisch gebildeten Bürger darstellt.

Es lässt sich also sagen, dass Gefahren entstehen können, wenn vermehrt mangelnde oder gar falsche politische Bildung praktiziert wird. Es ist leicht abzusehen, was passiert, wenn nur eine der genannten Funktionen politischer Bildung nicht ausreichend oder falsch abgedeckt wird. So kann zum Beispiel durch mangelnde Neutralität eine stark fremdgesteuerte politische Meinung entstehen, und keine reflektierte und selbstbestimmte wie sie eigentlich das Ziel politischer Bildung sein sollte.

Auch ein langweilig gestalteter Politikunterricht kann zu nachhaltiger Politikverdrossenheit führen. Mangelnde politische Bildung kann zu unzureichendem Wissen über das politische System führen. Jugendliche ständen somit in der Gefahr das Wahlsystem, die Absichten der Parteien oder die Arbeit politischer Funktionäre nicht zu verstehen und somit entweder gar nicht oder unbedacht zu wählen.

Aus diesem Grund sollte politische Bildung einen höheren Stellenwert im deutschen Bildungssystem genießen, um die Zukunft und Stabilität unserer Demokratie zu gewährleisten.

Probleme und Mängel politischer Bildung

Aktuell ist dies leider nur bedingt der Fall. 2009 verabschiedete das Kultusministerium einen Beschluss zur Stärkung der Demokratieerziehung, welcher besagt, dass politische Bildung eine fächerübergreifende Aufgabe sei. Dieser Ansatz ist zwar nachvollziehbar, jedoch trifft er nicht den Kern des Problems. Politik wird in Fächern wie Sozialkunde und Gemeinschaftskunde behandelt, jedoch weder im aktuellen Zusammenhang noch in dem nötigen Umfang. Dies führt zu Fällen wie dem einer 17-jährigen Abiturientin, die in einer Gemeinschaftskundeklausur fragt, welche die regierende Partei sei und mit der Antwort Rot-Rot-Grün Koalition nichts anfangen konnte. Da stellt sich natürlich die Frage ob ihr politischer Bildungsstand auf ihr Desinteresse oder das aktuelle Bildung System zurückzuführen ist.

Damit so etwas verhindert werden kann, muss das Fach Politik bundesweit eingeführt werden. Schülerinnen und Schüler über Demokratie aufzuklären und Oberstufenschülerinnen und Oberstufenschüler ein objektives Basiswissen zu vermitteln, das sie dazu animiert an Politik zu partizipieren, muss an oberster Stelle im Bildungsplan stehen. Schülerinnen und Schuler müssen über aktuelle politische Themen aufgeklärt werden und es muss auch Raum für Diskussionen zu geben. Politik fachübergreifend zu behandeln reicht hierfür bei weitem nicht aus.

Zu Zeiten eines wiederkehrenden Rechtspopulismus ist es wichtig in der Schule einen kritischen Umgang mit Extremismus und Populismus zu lehren. Besonders Rechtspopulismus ist eine Gefahr, da er häufig einfache aber unmoralische Antworten auf komplexe Fragestellungen gibt. Gerade Jugendliche und Minderjährige sind hierfür empfänglich. Zusätzlich ist die jetzige Generation in großer Gefahr durch Fake News beeinflusst zu werden, welche vor allem von rechtsextremistischen Gruppen ausgenutzt wird. Um den Schülern ein konstruktiv kritischen Umgang mit Nachreichten, Informationen und sozialen Medien beizubringen ist das Fach Politik notwendig. Davon sind die Schulen aber meilenweit entfernt, da es an qualifizierten Fachkräften mangelt.

 

In Anbetracht all dieser Aspekte wird deutlich, wie elementar politische Bildung für die Zukunft der BRD als demokratischer und weltoffener Rechtsstaat ist. Leider muss man aber feststellen, dass der jetzige Stand politischer Bildung in fast allen Bundesländern unzureichend ist. Es mangelt nicht nur an Fachpersonal sondern sogar schlicht und ergreifend an dem Fach „Politik“. Dass Politikunterricht nicht durch andere Fächer ersetzt werden kann, ist in jeder Schule zu beobachten, die genannte 17-Jährige ist nur ein Beispiel von vielen. Wie sollen die Kinder und Jugendlichen in Zeiten der Globalisierung und Vernetzung lernen zwischen richtig und falsch oder Fake News und seriösen Nachrichten zu unterscheiden, wenn nicht durch ihr Bildung. Das Fach Politik würde dieser Generation Werkzeuge in die Hand zu legen die sie braucht um reflektierte Entscheidungen zu treffen und somit unsere Demokratie zu bewahren.

 

Leopold, Timon, Emelie, Jan

 

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Politische Bildung
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